Hier wie angekündigt nun mein Feedback zum Wettbewerb und den Drinks.
Insgesamt würde ich mir eine breite detaillierte Diskussion über die einzelnen Drinks wünschen, schließlich sind nicht wenige davon wirklich innovativ und haben es verdient, ernst genommen und auch in Bars gemixt zu werden, denke ich.
Was mir insgesamt auffiel, ist die starke Interpretation von Smith & Cross als Sour- oder Punchbasis, als als Sommerdrink, wogegen sich nur ein Drink als ausgesprochen zur aktuelle Jahreszeit passender Winterdrink präsentiert (Jamaican Jack).
Etwas einschränkend fand ich teilweise die sehr genaue Zutaten- bzw. Glasangabe. Ich persönlich schätze hier die Freiheit, etwa einen Gin oder Zuckersirup selbst auszuwählen, wobei die Richtung und Qualität natürlich stimmen muss. So ist es etwa immer wieder schön, den klassischen Martini mit verschiedenen Gins neu zu entdecken.
Bei den Gläsern hatten wir zudem großen Spaß, den Hula with a Punch (ohne Glasangabe) als Tiki-Drink zu interpretieren und ihn so auch im Tiki-Mug zu servieren.
Nun zu den Drinks, wobei die Bemerkungen aus den Notizen und dem Gedächtnis stammen. Die Reihenfolge entspricht jener bei der Verkostung.
1. Crossfire
Ein schön würziger Sour mit kräftigem S&C-Aroma, würzig, dezent süß und mit schönen Fruchtnoten.
Zudem gut zu mixen.
2. Cross Pent
Ein toller Sommerdrink, sehr erfrischend, ausgewogen, schön fruchtig und mit den Weintrauben auch gut zu mixen, wenngleich gute Weintrauben im Winter schwer zu bekommen und teuer sind.
3. Smokey Rosemary Julep
Für mich einer der Höhepunkte, wenngleich ich keinen Julep darin entdecken kann (keine Minze)
Durch den Smokey Sirup und den Rosmarin sehr aromatisch und interessant, besonders den Gegensatz von "warmen" Rauchnoten und der kühlen Textur des Drinks (Crashed Ice) finde ich toll!
Für mich einer der innovativsten Drinks der Runde, der zwar etwas Vorbereitung verlangt, die Zutaten dann aber gut weiterverwendet werden können.
Der Smokey Sirup macht sich auch sehr gut im Tee. Allerdings sollte man bei der Herstellung sehr gut lüften. ;-)
4. Orange X-Roads
Sicher einer der optisch schönsten Drinks, zudem mit einem herrlichen Mundgefühl (Eiweiß und frische Orangenschale)
Geschmacklich mild, weich, sanft, aromatisch, eigentlich ein klassischer Damendrink. Was mir etwas fehlte, war die Kraft des S&C, die durch den Pyrat X.O. naturgemäß stark abgemildert wird.
Wir haben ihn übrigens auch noch über Vanilleeis probiert, dafür müsste der Drink aber doch etwas variiert werden.
5. It’s a Date
Hier hatte ich mit zwei Punkten Probleme: einerseits mit dem Kombination S&C und Gosling’s Black Seal Rum sowie mit der doch recht großen Menge an Dattelcreme. Der Drinks verliert so stark an Kraft und wird so zu einer leckeren Nachspeise, die wohl auch Kindern schmecken würde.
Von der Idee her aber ein toller Drink!
6. Jamaican Chocolate Serenade
Ein Luxusdrink (El Dorado 15) mit teuren und teilweise schwer zu bekommenden (Forgotten Flavours Falernum) Zutaten, zudem mit der nerdigsten Beschreibung (nur einen winzigen Tropfen, in einen vorgefrosteten Tumbler auf frisches Eis, Jamaica Rum Schokolade mit LPS Long Pond Single Rum 1993).
Das Ergebnis ist aber ein sehr runder und ausgesprochen komplexer Drink, der mit seiner Deko aus Schokoladestreifen zudem sehr appetitlich wirkt.
7. Jamaican Jack
Ein Ausnahmedrink, und das nicht nur, weil er als einziger heiß serviert wird.
Für mich eine echte Entdeckung, einerseits wegen der wirklich herrliche Rumtopfbasis (S&C-Dried-Fruit-Mix), andererseits durch die tolle Balance von Apfel- und Rumaromen! Der Drink ist ausgesprochen aromatisch und wunderbar wärmend.
Ich habe ihn inzwischen auch schon nachgemixt (als Variation mit Calvados und Bitter Truth Aromatic Bitters), was mir und meinen Gästen ebenfalls ausgezeichnet mundete.
8. Sloe Crossing Zone
Hier hatte ich echte Probleme mit der Balance von Süße und Säure, der Drink kippte eindeutig in die zu-sauer-Richtung.
Von der Idee her aber ein sehr mutiger und hochspannender Drink, der mit frischen oder in Obstbrand eingelegten Waldheidelbeeren sicher sehr gewinnen würde. Was mir hier sehr gefällt, ist die Farbe mit ihren intensiv violett-roten Noten.
Wir haben den Drink nach der Bewertung übrigens mit zusätzlichen 1,5 cl Zuckersirup etwas verändert, was ihm mE sehr gut tat.
9. Jamaica’s Sour
Ein schöner, eleganter, fast klassischer Sour, der trotz, oder vielleicht gerade wegen seiner Einfachheit überzeugt.
Er ist perfekt ausbalanciert und überrascht mit einer ausgesprochenen Komplexität und Tiefe. Auch sehr gut zum nachmixen.
10. Lives & Ladies
Auch ein Ausnahmedrink, einerseits wegen seiner geringen Menge, primär aber wegen seiner Zugabe von Dubonnet Rouge (technisch für mich also der einzige Medium-Cocktail in der Runde).
Optisch durch sein schönes Rot mit leichten Brauntönen ansprechend, ist er im Geschmack zudem ausgewogen und ebenso würzig wie aromatisch. Für mich im Ergebnis deutlich unterbewertet.
11. Hula with a Punch
So wie der Jamaican Chocolate Serenade ein Tiki-Drink, und was für einer!
Intensiv, stark, mächtig, fast wie ein Zombie! Zudem durch die spannenden Zutaten (u.a. Yogi-Tee-Sirup und - bei uns - St. Germain) geschmacklich hochinteressant und komplex. Ein Drink, der im Sommer sicher noch das eine oder andere mal nachgemixt wird.
Fazit:
Eine tolle Runde, wobei meine drei persönlichen Favoriten gleichwertig Smokey Rosemary Julep und Jamaican Jack heißen. Beide zeigen neben dem guten Geschmack viel Innovation, sind aber nach etwas Vorbereitung sehr gut zu mixen.
Noch ein paar Gedanken zur Bewertung:
Ich hatte Probleme einerseits mit der mE zu detaillierten 19-teiligen Abstufung (10 Stufen sind mE vollkommen genug), vor allem aber mit der Tatsache, dass nur eine einzige Bewertung möglich ist. Diese ist dann nämlich zugleich das Gesamturteil.
Wäre es nicht interessant, auch die Fragen Innovation und Mixability einfließen zu lassen, konkret so, dass beide zusätzlich separat bewertet werden müssen? Für die Gesamtwertung würde die wichtigere Geschmackswertung dann doppelt zählen.
Beispiel: Drink xy schmeckt ausgewogen und interessant (7 Punkte), ist aber mit schwer zu bekommenden und aufwendig herzustellenden Zutaten kompliziert zu mixen (3 Punkte), zugleich aber sehr innovativ (9 Punkte). Ergibt in Summe 7+7+3+9=26, also im Schnitt 6,5. Ich denke, dieses Bewertungsschema wäre diskussionswürdig.